Religionsrecht (Staatskirchenrecht)

Flaggen Österreich und EU (Foto: Daniel Tibi)

Unter dem Begriff Religionsrecht versteht man alle (staatlichen) Rechtsnormen, die das Verhältnis zwischen dem Staat (und seinen Gliedstaaten bzw. kommunalen Körperschaften) bzw. supra- und internationalen Gemeinschaften einerseits und den Religionsgemeinschaften andererseits zum Regelungsgegenstand haben. Im Zentrum steht dabei das verfassungsgesetzlich garantierte und völkerrechtlich vielfältig anerkannte Grundrecht auf religiöse Freiheit. Der Begriff Religionsrecht ersetzt den traditionellen Begriff des ,Staatskirchenrechts’. Er umfasst die plurale Vielfalt religiöser Lebensentwürfe, denen sich der Staat gegenübersieht. Als ,Heimstatt aller Bürger’, der religiösen wie der nichtreligiösen, ist der Staat verpflichtet, das Grundrecht auf religiöse Freiheit zu respektieren und im Rahmen der Grundwerte der Verfassung zu sichern. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit bezieht sich auf das Handeln bzw. das Nicht-Handeln der Einzelnen allein oder in Gemeinschaft. Es trägt aber auch in sich einen institutionell-korporativen Aspekt, der darauf abzielt, den Kirchen und Religionsgemeinschaften jenen Freiraum zu ermöglichen, den sie für die Verwirklichung ihres je eigenen Auftrags – wiederum im Rahmen der Grundwerte der Rechtsordnung – benötigen.

Besonders herausgefordert ist die religionsrechtliche Wissenschaft, wenn es gilt, Kollisionen im Bereich der Grundrechte bzw. auch innerhalb des Grundrechts der Religionsfreiheit zu beurteilen. Sie erarbeitet Parameter, widerstreitende Freiheiten schonend abzuwägen und miteinander auszugleichen. Das österreichische religionsrechtliche System geht von einer institutionellen Trennung von staatlichen und religiösen Institutionen aus. Kennzeichnend für die österreichische Verfassung ist dabei eine kooperative Hereinnahme des Religiösen in die gesellschaftliche Öffentlichkeit. Um des friedlichen Zusammenlebens in der pluralistischen Gesellschaft willen, bleibt diese auch dann geboten, wenn Religion da und dort missbraucht wird, um politische oder gar gewalttätige Ziele zu erreichen. Rufe nach einer Verdrängung des Religiösen aus der gesellschaftlichen Öffentlichkeit lassen sich nicht diskriminierungsfrei umsetzen. Den Missbrauch von Religion rechtsstaatlich zu verfolgen, ist dazu kein Widerspruch, sondern die Voraussetzung echter Religionsfreiheit.

Religionsrecht ist in erster Linie nationales Recht. Im Blick auf die Beziehungen des Staates zur Katholischen Kirche ist es darüber hinaus überall dort auch Völkerrecht, wo die Staaten mit dem Heiligen Stuhl konkordatäre Vereinbarungen treffen. Der Europäischen Union fehlt die Kompetenz, religionsrechtliche Bestimmungen zu erlassen. Indirekt betreffen jedoch nicht wenige Unionskompetenzen die nationalen religionsrechtlichen Systeme. Erhebliche Auswirkungen sind nicht nur auf dem Gebiet des Antidiskriminierungsrechts oder des Datenschutzrechts zu beobachten.

Die organisationsrechtliche Verortung der Professur für Religionsrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät bedeutet keine Verengung auf das ,verfasste Christentum’. Die damit verbundene hermeneutische Transparenz, bietet vielmehr eine Chance, interdisziplinäre Brücken zu den anderen Rechtswissenschaften sowie zu den konfessionellen bzw. religiösen Rechten zu schlagen.