Religionsfreiheit in Zeiten der Pandemie

Dieses Projekt wird durch den FWF Österreichischer Wissenschaftsfonds finanziert 10.55776/PAT1667223. 

Zur Bekämpfung der Corona-Pandemie griff der Staat in einer Weise in Grundrechte ein, die bislang in liberalen Demokratien unvorstellbar gewesen war.  Davon betroffen war auch das Grundrecht auf freie Religionsausübung nicht nur im Blick auf den Besuch von Gottesdiensten, sondern unter anderem auch auf die seelsorgliche Betreuung Alter, Kranker und Sterbender. Die Maßnahmen und die Auseinandersetzung um Corona-Schutzimpfungen wirken auch nach dem Ende der Pandemie in vielfältiger Weise fort.

Das Projekt untersucht, welche rechtlichen Rahmenbedingungen nötig sind, um sowohl die Gesundheit effektiv zu schützen, als auch die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger so weit wie möglich zu bewahren.

Die zentrale Hypothese ist, dass der in Österreich beschrittene Weg zur Bekämpfung der Pandemie auch ohne zwangsbewährte Maßnahmen erreicht werden konnte. Hierzu wurden die Religionsgemeinschaften bei der Erlassung von Maßnahmen eng eingebunden und hatten die Möglichkeit, religionsinternen Normen betreffend die Feier öffentlicher Gottesdienste zu erstellen. Durch diese koordinierte Vorgehensweise fand die Beschränkung der Religionsausübung weitgehend Unterstützung. Der verfassungsrechtlich vorgesehene öffentlich-rechtliche Status der anerkannten Religionsgemeinschaften gewann dadurch eine ungeahnt aktuelle Bedeutung. Abgesehen von einer wichtigen Entscheidung des VfGH, die Fragen der Gleichbehandlung von Religion und Kunst aufwarf, mussten sich die Gerichte in Österreich kaum mit den Auswirkungen der Schutzmaßnahmen auf die Religionsfreiheit befassen.

Das Projekt vergleicht den österreichischen Zugang mit den Erfahrungen aus Frankreich und Deutschland. Das Religionsverfassungsrecht Deutschlands ist dem österreichischen ähnlich. Durch die ausgeprägteren Länderkompetenzen wurden aber sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht, die rechtlich systematisiert werden sollten. Frankreich kennt als laizistische Republik kaum Möglichkeiten einer institutionalisierten Kooperation zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften. Im Laufe der Pandemie kam es dort zu teilweise schroffen Abwehrreaktionen seitens maßgeblicher Religionsvertreter. Die auffallende Differenz sowohl zum österreichischen als auch zum deutschen Religionsrecht dient als rechtsvergleichende Probe. Qualitative Befragungen der religiösen Entscheidungsträger in den drei Ländern sollen den rechtlichen Befund bestätigen bzw. kontrastieren. Für die Durchführung der Interviews und bei kirchenrechtlichen Fragen wird das Institut für Kirchenrecht und Religionsrecht der Universität Wien von Kollegen am Institut für Praktische Theologie der Universität Innsbruck unterstützt. 

Die Mehrdimensionalität des Projekts ergibt sich schließlich durch die explizite Einbeziehung des katholischen Kirchenrechts. Inwiefern hat die Pandemie das interne Recht der größten institutionalisierten Religion dynamisiert? Welche Impulse gingen von minoritären Religionen aus? Brachte die Pandemie einen Rückschlag in traditionelle Geschlechterrollen? Führte die enge Kooperation vielleicht auch in ein überwundenes Bündnis des Staates mit einer bestimmten, gesellschaftlich gar nicht mehr vorherrschenden Religion?

Das Ende der Pandemie bietet die Möglichkeit die Maßnahmen und die Kooperationsmöglichkeiten aufzuarbeiten mit dem Ziel, für ähnliche Herausforderungen in der Zukunft besser gewappnet zu sein.

 

 

For the english version click here: Freedom of Religion and Belief in Times of Pandemic